Der Heilige Rock
Nach dem Johannesevangelium wurden die Gewänder Jesu nach dessen Kreuzigung in vier Teile geteilt und unter den römischen Soldaten verteilt. Das Untergewand oder der „Leibrock“ jedoch sei nicht geteilt, sondern einem der Soldaten zugelost worden, da es „von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht“ war. Der Überlieferung nach soll die hl. Helena, die Mutter Konstantins des Großen, den Heiligen Rock nach Trier gebracht haben. Dies behaupten Quellen des 12. Jahrhunderts, die im Zusammenhang mit der mittelalterlichen Trierer Kirchenpolitik und den damit verbundenen Herrschafts- und Machtansprüchen stehen.
Urkundlich erwähnt wurde der Heilige Rock erstmals am 1. Mai 1196, als Erzbischof Johann I. den Hochaltar im neu errichteten Ostchor des Trierer Domes weihte und die Reliquie darin einschloss. Das Bistum Trier übertrumpfte mit diesem Fund die konkurrierende Abtei Prüm, die im Zusammenhang mit der Pippinschen Schenkung seit 752 im Besitz der Sandalen Christi war. Eine frühe literarische Erwähnung findet sich im Versepos Orendel (um 1190 entstanden).
Als Kaiser Maximilian I. anlässlich des Reichstags 1512 nach Trier kam, verlangte er, den Heiligen Rock zu sehen. Erzbischof Richard von Greiffenklau ließ in Anwesenheit des Kaisers sowie vieler Bischöfe und Prälaten den Altar öffnen. Nach einem Gedächtnisgottesdienst für die verstorbene Gemahlin Kaiser Maximilians I. forderten die Bürger lauthals, dass ihnen der Rock gezeigt werde. Das Domkapitel ließ – so zeigen es zeitgenössische Holzschnitte – an der Westapsis des Domes eine Loggia errichten, von der aus ab dem 30. Juni mehrere sogenannte „Zeigungen“ stattfanden. Bis 1517 fanden dann jährlich Wallfahrten zum "Heiligen Rock" nach Trier statt. Auf Anweisung Papst Leos X. sollten die Wallfahrten danach in Abstimmung mit den Aachener Heiligtumsfahrten erfolgen. So wurden die nächsten Termine im Sieben-Jahres-Rhythmus festgelegt: 1524; 1531; 1538 und 1545. Wegen kriegerischer Auseinandersetzungen und reformationsbedinger Unruhen wurde der Rhythmus zunächst ausgesetzt, dann eingestellt.
Der Heilige Rock wurde von 1628 bis 1794 mit einigen Unterbrechungen für insgesamt mehr als 140 Jahre auf der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz aufbewahrt. Dort stellte ihn am 4. Mai 1765 Bischof Johann IX. Philipp von Walderdorfffeierlich aus und veranlasste eine Wallfahrt. Der letzte Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus nahm die Reliquie mit ins Exil nach Augsburg, sie kehrte erst 1810 wieder nach Trier zurück. Dort wurde sie nach der öffentlichen Zeigung gefaltet und in einen Metallbehälter gelegt, der von zwei weiteren Behältern umschlossen und in einen Hohlraum des Hochaltars des Domes gestellt wurde. Die Öffnung vermauerte man, gleiches erfolgte auch nach der Wallfahrt 1844. Vor der Wallfahrt 1891 wurde die Reliquie dem Altar entnommen und von Sachverständigen untersucht. Wegen des schlechten Zustandes entschloss man sich, das Gewebe der Vorderseite mit pflanzlichem Klebstoff ("Gummi-Tragant") zu behandeln, was zwar dem damaligen Kenntnisstand entsprach, aber eine irreversible Veränderung mit sich brachte, da sich der Klebstoff mit der Zeit braun verfärbte. Um den weiteren Zerfall zu verhindern, wurde der Heilige Rock nicht mehr im Hochaltar deponiert sondern ein neugotischer Schrein angefertigt, in dem die Reliquie ungefaltet aufbewahrt werden konnte.
Nachdem die Reliquie lange Zeit in einem Raum des Kreuzgangs verwahrt worden war, befindet sie sich seit der letzten Restaurierung des Domes in den 1970er Jahren in der Anfang des 18. Jahrhunderts für sie errichteten barocken Heiltumskapelle. Deren ursprüngliche Konzeption sah vor, den Heiligen Rock in einem silbernen Reliquiar aufzubewahren, das so in das Retabel des Kapellenaltars eingesetzt wurde, dass man es durch die Einblicksöffnung in die Kapelle vom Mittelschiff des Domes aus sehen konnte. Da der Heilige Rock aus konservatorischen Gründen aber nur noch liegend aufbewahrt werden darf, befindet er sich heute in dem aus dem 19. Jahrhundert stammenden Schrein, der innerhalb einer künstlerisch gestalteten Glasvitrine steht. Diese schützt ihn vor Beschädigungen und ist klimatisiert, um den weiteren Zerfall der durch ungünstige Bedingungen bei der Aufbewahrung in den vergangenen Jahrhunderten stark geschädigten Reliquie zu verhindern. In längeren Abständen wird der Schrein geöffnet und der Zustand der Reliquie überprüft; diese Überprüfungen finden in kleinem Kreis unter Beteiligung des Domkapitels, des Trierer Bischofs und Fachleuten für Textilkonservierung statt. Nach der jeweiligen Prüfung wird der Schrein wieder verschlossen und mit den Siegeln des Trierer Bischofs und des Domkapitels versiegelt. Wegen des schlechten Zustands des Gewebes konnte die alte Tradition, den Heiligen Rock hängend (und damit für die Gläubigen von weitem sichtbar) zu zeigen, zuletzt 1959 befolgt werden, als man das Gewebe zwischen zwei Glasplatten eingespannt hatte. 1996 und 2012 wurde die Reliquie daher in eine Vitrine gelegt, an der die Pilger vorbeizogen. Bei den jährlich stattfindenden Heilig-Rock-Tagen wird die normalerweise verschlossene Heiltumskapelle geöffnet, so dass die Besucher bis zu der Vitrine mit dem (geschlossenen) Schrein gelangen können.
Hinweise
- Quelle
- Wikipedia